Singer-Songwriter Conor Oberst solo im Kaufleuten

Konzertkritik: Conor Oberst im Kaufleuten
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Bilder: Bäckstage / © Patrick Holenstein

Der 36-jährige Conor Mullen Oberst kann schon jetzt auf ein bewegtes Leben zurückblicken, in dem Musik seit je her die Hauptrolle spielt. Bereits im Alter von 10 Jahren begann er Gitarre zu spielen und nahm erste Songs mit einem Kinderkassettenrekorder auf. Zur gleichen Zeit gründete er mit seinem Bruder das Label Lumberjack Records, aus dem später das Plattenhaus «Saddle Creek» hervorging. Vielen dürfte er spätestens als Leadsänger bei den Bright Eyes ein Begriff sein. Es ist schwierig durchzublicken, wann er welche Band gründete, und wann er welcher Gruppe angehörte - so ungebremst ist sein Schaffen. Neben seiner musikalischen Arbeit, war auch sein Privatleben voller umtriebiger Phasen. Zeitweise hatte er mit Depressionen und Alkohol zu kämpfen. Seine markante Stimme zieht sich derweil als Konstante durch sein Leben. Zerbrechlich, zittrig, zaudernd, aber mit einer enormen Kraft. Die Musik ist den Genres Indie-Rock, Folk und Alternative-Country zuzuordnen. 

 

Zu Recht darf man bei Oberst von einem grossen Talent sprechen, 2008 wurde er vom Magazin «Rolling Stone» zum besten Songwriter gekürt. Oberst beherrscht ausserdem zahlreiche Instrumente, wie Gitarre, Bass, Klavier oder Mundharmonika. 

 

Fotos: Bäckstage / © Patrick Holenstein

 

Der in Nebraska geborene Musiker spielte vergangenen Freitagabend im Kaufleuten gekonnt mit dem Effekt von schräg klingenden Tönen, welche den Melodien einen eigenen Akzent verliehen. Seine Stimme hatte Gänsehautpotential und trug den Zuhörer sanft bis zum letzten Ton durch den Song. Das war besonders bei «gossamer thin» und «counting sheep» zu spüren - zwei Stücke von seinem im Jahr 2016 erschienenen Album «Ruminations». Das Publikum hing gebannt an seinen Lippen. Obwohl der Saal gut gefüllt war, blieb es stets ganz still, wenn Oberst mit seinem Bassisten Miwi la Lupa musizierte. Die Mundharmonika und die Gitarre waren auffallend präsent, klangen voll und laut. Der schmächtige Amerikaner, auf der Bühne schüchtern und jungenhaft wirkend, betonte sein Jetlag, was seine zeitweise verpeilte Art erklären könnte. 

 

Zwischendurch sprach Oberst etwas unbeholfen über irgendwelche eher belanglosen Dinge, ohne aber an Humor einzubüssen. Er müsse so viel sprechen, da er sonst kritisiert werde, er spreche zu wenig zum Publikum. Eine besondere Ehre wurde dem vorgängigen Act Phoebe Bridgers zu teil: Oberst holte die platinblonde Sängerin mit Lederjacke und Karo-Hose nochmals auf die Bühne, um mit ihr den Bright-Eyes-Klassiker «Lua» zu singen. Eigentlich langweile ihn dieser Song, aber zusammen mit Phoebe singe er ihn wieder gerne.

 

Als Oberst zum letzten Stück «bottom of everything» ansetzte, kam Schwung ins Publikum: die Menschen sangen mit und bewegten sich zum Rhythmus. Oberst wurde mit einer Standing Ovation belohnt. Umso enttäuschender war dann das abrupte Ende des Konzertes: Oberst verschwand ohne Zugabe. Er war weder durch kräftiges Pfeifen noch durch den unablässigen Applaus zu einem weiteren Song bereit.

 

Conor Oberst unverkennbar: das musikalische Wunderkind präsentiert mit seiner zittrigen und zerbrechlichen Stimme seine zumeist melancholischen Songs. Das Publikum ehrt die Darbietung durch unweigerliche Aufmerksamkeit und einen tosenden letzten Applaus. Der Wunsch nach einer Zugabe bleibt jedoch unerfüllt.

 

 

Katja Nosswitz / So, 22. Jan 2017